FKK in der damaligen DDR und NoMeansNo in der heutigen EU

30.06.2016 14:19

Freikörperkultur in der DDR

Nicht erst seit Pornoqueen Melanie im Dschungelcamp und danach reichlich Gelegenheit hatte, auf ihren Versandhandel mit erotischen Glücksbringern, inklusive Reisemuschis als neuester Erfindung, im Angebot aufmerksam zu machen, wird wieder erregt diskutiert in den Feuilletons, ob Deutschland nicht eigentlich das geheime, europäische Zentrum erotischer Kunst und Raffinesse sei - oder zumindest gewesen wäre. Nein, Scherz beiseite! Zumindest zu der Zeit als es die beiden deutschen Länder gab, gab es eigentlich keinen Zweifel, wo das innerdeutsche Zentrum von Sex und Erotik war. Natürlich im ostdeutschen, sozialistischen Kulturkreis, in der bis 1989 bestehenden Deutschen Demokratischen Republik, der DDR.

 

Heutzutage fehlt der Einfluss freier, sozialistischer Körperkultur in Europa. In Frankreich, da werden Freier von Prostituierten kriminalisiert und da wird gegen die familiäre Gleichstellung von Homosexuellen demonstriert. Allgemein erlebt Europa (neben einer Pornografie-Verherrlichung an den gesellschaftlichen Rändern) im beginnenden 21. Jahrhundert einen konservativ-prüden Rollback, der an den Anfang des letzten Jahrhunderts gemahnt.

In Spanien soll das Abtreibungsrecht für Frauen zurück genommen werden, in England soll wieder Geschlechtertrennung in den Schulen praktiziert werden und in Italien breitet sich eine asexuelle Lebenshaltung aus, was auch an der europaweit niedrigsten Geburtenrate abgelesen werden kann. Schweden hat wie auch andere skandinavische Länder ein sehr restriktives Sexualstrafrecht, was so gar nicht mit dem Image als sexuelle Befreier der 60er-Jahre zusammen passt, und auch in Deutschland führen die neuesten Reformen des Sexualstrafrechts dazu, dass ein klar erkennbares "Nein" ausreicht, ein Vergehen als Vergewaltigung zu ahnden, wo das Opfer sich zuvor aktiv wehren musste, um glaubhaft zu sein. 

Das heutige, vornehmlich geeinte Europa gibt sich in Sachen Sexualität gar nicht mehr so progressiv, wie es zu Zeiten von BRD und DDR und einer europaweiten FKK-Bewegung im Rahmen der "Sexuellen Befreiung" weitaus liberaler und toleranter gewesen ist. Geschäfte zu machen mit Sexualität kann (und will) der Staat gar nicht ächten, die private Sexualität, auch als Befreiung vom (Arbeits-)Alltag oder Gelegenheit zur körperlichen, bzw. gesundheitlichen Regeneration des Arbeiters, wie in der DDR, soll heute, wo die Spaltungen quer und queer durch die Gesellschaft laufen, eher wieder gedeckelt und wenn, dann die Sexualität wieder an ein nützliches Fortpflanzungsgebot angenähert werden.

Wie der Blogger Einar Schlereth beschreibt: "Als (in der DDR) die soziale Sicherheit mit gratis Verhütungs-Pillen für alle Frauen über 14 Jahre (man beachte, dass damals die Risiken nicht bekannt waren) mit freier Abtreibung verbunden wurde, veränderte sich das Liebesleben. Die Sexualstatistik zeigt, dass die klassische bürgerliche Pubertät in der DDR aufhörte. 1963 hatte der Jugendausschuss der Partei formuliert, dass das Verbot vorehelicher Sexualität reaktionär wäre und dass es „sozialistisch war, der Jugend zum Lebensglück zu verhelfen“. Konkret beinhaltete dies, dass 90% aller 16-jährigen Mädchen die Liebe erlebten und 80% einen Partner hatten. Damit wurde – genau wie Wilhelm Reich schrieb – der Orgasmus befreit. 75% aller 16-jährigen Mädchen, 90% aller 18-jährigen Mädchen und 99% aller 27-jährigen Frauen in der DDR erlebten Orgasmus. 3 von 4 Frauen bei jedem Beischlaf. Im Westen – das offiziell sexualisiert war mit öffentlichen Hurenhäusern und sonstigem Elend – war die Situation völlig anders. Nicht nur für die Frauen."

In einer großen Sexualuntersuchung, die 1993 in Ost und West durchgeführt wurde, zeigte es sich, dass 38% der geschlechtsreifen Bevölkerung im Osten 4 bis 6 Mal die Woche sexuell aktiv waren. Im Westen betrug die Gruppe nur 19%. Im Osten waren 13% der geschlechtsreifen Bevölkerung mindestens einmal pro Tag sexuell aktiv. Im Westen nur 4%.

Die ökonomische Freiheit brachte sexuelle Freiheit mit sich. Im Osten meinten 83% der Männer und 86% der Frauen, dass die Initiative zum vergangenen Beischlaf „von beiden“ kam. 78% der Frauen sagten auch, dass ihre Partner ihre besonderen sexuellen Wünsche erfüllten.

"Als Deutschland wiedervereint wurde, hatten die Männer darunter zu leiden. Nicht nur, dass sie sich angewöhnt hatten, abzuwaschen und sich um die gemeinsamen Kinder zu kümmern, sondern sie waren nicht einmal im Sexualleben auf anständige Weise mehr an der Fortpflanzung ihrer Gemeinschaft interessiert", wie Einar Schlereth ironisch anmerkt.

einarschlereth.blogspot.se/2012/05/volksheim-auf-deutsch-fkk-und.html

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