Schwules Museum Berlin - LesbianGayBisexualTransIntersexQueer

03.09.2014 15:29

"Ein Feuchter - innen und außen geschmiert."

Als am 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie, das Schwule Museum sein neues Domizil in der Lützowstraße 73, in Berlin-Tiergarten, eröffnete, war das Gedränge der Schönen und Reichen groß. Gewürdigt wurde der neue, schmucke Tempel der queeren Lebenseinstellung natürlich mit Grußworten des amtierenden Bürgermeisters, der einst mit dem Spruch "Berlin ist arm - aber sexy!", zur finanziellen Situation der ewig klammen Hauptstadt, für internationale Belustigung sorgte. Die Ehre der Eröffnung dieser bedeutsamen Kultureinrichtung steht Klaus Wowereit fraglos zu, denn sein offensives Statement "Ich bin schwul, und das ist auch gut so!" hat einiges zu einer unaufgeregten Normalität in den hiesigen Debatten zum Thema Homosexualität beigetragen.

 

Trotz oft schwieriger Fördermittel-Suche hat das Museum seit seiner Gründung 1985 ganze 135 Ausstellungen auf die Beine gestellt, zu denen im vergangenen Jahr alleine 17.426 Besuchern kamen. Am neuen, edlen Standort will sich das Museum nun aus seiner trotzigen Ecke heraus bewegen und sich thematisch breiter aufstellen. Damit zeigt es im schicken Ambiente in den großen, hellen Räumen, dass es in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

LesbianGayBisexualTransIntersexQueer

Am neuen Standort zwischen Potsdamer Straße und Lützowplatz werden jetzt noch mehr Besucher erwartet, denn das Museum hat seinen Schwerpunkt erweitert. Um LGBTIQ gehe es jetzt, sagt eine Sprecherin auf Englisch und so schnell, dass mensch erst mal nachlesen muss: LGBTIQ ist die Abkürzung für LesbianGayBisexual TransIntersexQueer. Dafür hat das Schwule Museum statt vormals 600 jetzt 1620 Quadratmeter auf drei Etagen in der ehemaligen Druckerei, die mit rund 600.000 Euro eines Europäischen Fonds und von der Deutschen Klassenlotterie für die Bedürfnisse der neuen Mieter umgebaut wurde. Seit 2010 bekommt das Museum außerdem jährlich 250.000 Euro vom Kultursenat der Stadt Berlin.

Im Erdgeschoss findet sich der Eingangsbereich mit großem Empfangstresen und kleinem Café, groß genug für Veranstaltungen und Film-Screenings. Von da aus geht es in die vier großen Ausstellungsräume mit insgesamt 700 Quadratmetern. In der ersten Etage sind die Büros und eine große Präsenzbibliothek mit 16.000 Titeln. Im Untergeschoss ist das riesige Archiv mit rund 50.000 Objekten untergebracht - natürlich in klimatisierten Räumen.

Gesellschaftspolitischer Aufklärungswille

Solche Perfektion ist neu im Schwulen Museum. Bisher widmeten sich die Ausstellungen, oft trotzig, frech und provozierend, meist auch betroffen und empört protestierend, den Rechten schwuler Männer und der schillernen Geschichte der Homosexualität. Aber die Zeiten ändern sich: Jetzt ist die Subjektivität einem profilierten, wissenschaftlichen Konzept und einem gesellschaftspolitischen Aufklärungswillen gewichen. Gerechtigkeit soll herrschen, alles muss vorkommen. So wurde die alte Dauerausstellung vom Mehringdamm archiviert, weil sie fast nur die Geschichte der Homosexualität unter Männern betraf. Stattdessen soll bis 2015 eine neue Schau zu LGBTIQ erarbeitet werden.

Zarte Fußballer, schlagkräftige Transen, Männer mit Mösen, Frauen mit Bart. Das alles und noch viel mehr ist bis dahin in der Interimsausstellung "Transformation" zu sehen, einer chronologisch angelegten Schau zu "Wandlung, Erneuerung und Grenzüberschreitung" der homosexuellen Bewegung. Mit Unmengen an Bildern und Dokumenten des intensivst geführten, kulturpolitischen und sozialpsychologischen Kampfes einer tradierten, patriarchalen Geschlechterordnung gegen das neue homosexuelle Selbstbewusstsein, welches sich ungefähr seit 1800 in Deutschland entwickelte, wirken in ihrer Fülle fast ein wenig übersättigend, aber verblüffend und faszinierend allemal.

Deutlich wird, wie sehr der Homosexualitäts-Diskurs mit seiner provokanten Mischung aus subversiven, narzistischen, hedonistischen und kulturrevolutionären Aktionsformen, sexuelle Gerechtigkeit fordernd und freie Liebe praktizierend, die progressive Umgestaltung von Kultur und Feuilleton voran trieb. Wie der Name der Schau andeutet, wird auch der physisch-biologische Konflikt um sexuelle Selbstbestimmung fokussiert, wie das Drama um ein Leben im 'falschen Körper' oder die unumkehrbare Entscheidung zu einer operativen Geschlechtsumwandlung.

Erste Geschlechtsumwandlung 1932

Die Ausstellung beginnt mit mittelalterlichen Grafiken, die sich mit Darstellungen von Sodomiten, Sappho und ihren Freundinnen auf Lesbos auf die Antike beziehen. Immer kleben erklärende Texte auf Deutsch und Englisch neben den Exponaten. Komisch und amüsant sind zwei Wände mit "Starpostkarten" aus der Jahrhundertwende von Herrendarstellerinnen und Damenimitatoren - die man heute Drag-Künstler nennen würde. In Vitrinen liegen Bücher, Fotos und Dokumente, zum Beispiel ein Zeitungsbericht von 1932 über die erste Geschlechtsumwandlung. Viele der Bilder belegen die Tragik der Lebenswelten jenseits der herrschenden Hetero-Normalität: Niederlagen der Emanzipationsbewegung, Kriminalisierung, Flucht und Ermordungen während der Nazi-Zeit.

Im hinteren Raum geht die Schau mit den fünfziger Jahren bis heute weiter. Aids ist ein großes Thema, aber auch die öffentlichen Bekenntnisse prominenter Männer zu ihrer Homosexualität. Auch drei frühe Titelbilder des SPIEGEL sind ausgestellt - 1969 heißt es zum Beispiel "§ 175 - Das Gesetz fällt - bleibt die Ächtung?" und 1974 "Frauen lieben Frauen - Die neue Zärtlichkeit". Neu war diese damals nicht gerade, aber neu war es immerhin auf dem Titel eines Nachrichtenmagazins.

Situation der Schwulen in der DDR

Neu ist die Aufarbeitung der Situation von Schwulen und Transsexuellen in der ehemaligen DDR. Eine der beiden Sonderausstellungen heißt "Zwischen Tradition und Moderne - Frühe Gemälde von Jochen Hass 1950 bis 1955" - eine wirkliche Entdeckung. Hass, der in Ost-Berlin als Restaurator arbeitete, hat im sozial kontrollierten Gefüge der DDR sein Schwulsein zum Thema seiner Malerei gemacht. Seine Bilder, zum Beispiel von feminin wirkenden, zärtlichen Fußballspielern, konnte er zwar nicht ausstellen, malte sie aber trotzdem, für sich selbst und seinen Freundeskreis.

Die andere Sonderschau heißt "lesbisch. jüdisch. schwul". Sie beschreibt mit Texten, Porträts und Dokumenten 24 eigens für die Ausstellung recherchierte Biografien von meist in Vergessenheit geratenen lesbischen Jüdinnen und schwulen Juden in den zwanziger Jahren aus Kunst, Wissenschaft und Literatur. Alle haben einen Beitrag zur Emanzipation beider Gruppen geleistet, waren im Nationalsozialismus doppelt stigmatisiert und den Verfolgungen der Nazis ausgesetzt. Magnus Hirschfeld kennt man und Felice Schragenheim durch den Film "Aimee und Jaguar". Aber wer sind Felix Abraham, Fritz Flato, Richard Plant, Alice Ascher, Vera Lachmann oder Käte Laserstein? Schon um sie kennenzulernen, sei ein Besuch im Schwulen Museum dringend empfohlen.

Schwules Museum Berlin

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